
Tibor Déry, 82. Der große alte Mann der ungarischen Literatur, der als Epiker ("Der unvollendete Satz") neben Musil und Mann gestellt wurde, war stets enfant terrible. Als 24jähriger machte er sich von seiner Großbürger-Herkunft los, indem er in der Fabrik seines Onkels einen Streik inszenierte. 1919 trat er in die Kommunistische Partei ein. 1956 wurde er wegen Kritik an der stalinistischen Parteiführung und ihrem Personenkult aus der KPU ausgeschlossen. Nach dem Ungarnaufstand, zu dessen geistigen Initiatoren er gehörte, war er drei Jahre in Haft. In den Jahren danach entfernte sich Déry, der das Engagement fürs Proletariat und privilegierte Lebensgenüsse zu verbinden wußte, vom Realismus, der ihn berühmt gemacht hatte. Aufsehen erregte noch einmal seine Autobiographie "Kein Urteil. Déry starb vorigen Donnerstag in Budapest.
Wiltraut Rupp-von Brünneck, 65. Die Bundesverfassungsrichterin galt als hochqualifizierte Juristin, von bestechender Logik, konziliant in der Form, aber hart in der Sache. Während des Krieges Regierungsrätin im Reichsjustizministerium, trat Wiltraut von Brünneck 1947 ins hessische Justizministerium ein. 1953 wechselte sie als Ministerialrätin in die Hessische Staatskanzlei über und leitete dort die Abteilung für Bundesratsangelegenheiten. 1963 wurde sie -- inzwischen Ministerialdirigentin -- als Bundesverfassungsrichterin nach Karlsruhe berufen, wo sie 14 Jahre lang die Rechtsprechung des Ersten Senats, der am 5. August 1966 die Verfassungsbeschwerde des SPIEGEL gegen die Durchführung des Ermittlungsverfahrens in der SPIEGEL-Affäre zurückwies, entscheidend mitgeprägt -- durch aufsehenerregende "abweichende Meinungen" (etwa beim Urteil, das die Abtreibungsreform für verfassungswidrig erklärte), aber auch durch weittragende gesellschaftsverändernde Entscheidungen. So trägt zum Beispiel der Beschluß zur Reform des Unehelichenrechts ihre Handschrift. Die Richterin starb letzten Donnerstag in Karlsruhe an einer Knochenerkrankung.
Anibal Escalante, 67. Er war Kommunist lange vor Fidel Castro und als Funktionär der moskaufrommen kubanischen KP auch gegen dessen Revolution. Erst angesichts des unerwarteten Sieges von Castro arrangierten sich die Altgenossen mit den Guerillas; Escalante stieg zum führenden Mann der "Integrierten Revolutionären Organisationen" (ORI) auf. Aber sein voreiliger Versuch, 1962 Fidel Castro mit Hilfe der Sowjets auszubooten, scheiterte. Escalante flüchtete ins Moskauer Exil. Drei Jahre später kehrte er zur Beerdigung seines Bruders auf die Insel zurück und durfte als Hühnerzüchter bleiben. Aber der Heimkehrer sammelte erneut unzufriedene Altkommunisten zur Konspiration. 1968 vom Geheimdienst entdeckt, wurde Escalante zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er starb in der vorletzten Woche.
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